OARAVRAE

OARAVRAE
OARA-VRAE

Mittwoch, 17. Februar 2010

Geschichte der Ashaninka Machiguenga

Beschreibung
Die Völker der Ashaninka und Machiguenga leben in Gebieten der zum Osten hin abfallenden Andenhänge Perus, zu dessen Füßen sich das Amazonasbecken mit seinen tropischen Regenwäldern erstreckt, über die Landesgrenzen weit bis nach Brasilien hinein. Die Organisation OARA (Organizacion Ashaninka Machiguenga del Rio Apurimac) vertritt die Interessen der Ashaninka und Machiguenga im Tal des Flusses Apurimac, der von den Anden kommend, sich in den tieferen Dschungelgebieten mit Hilfe hunderter kleiner Nebenflüsse zu einem der größten Flüsse Perus verwandelt.
Das Tal des Flusses Apurimac wird zusammen mit dem Tal des Flusses Ene, der sich letztlich aus dem Apurimac formt, in Peru kurz VRAE( Valle de los Rios Apurimac y Ene-Tal der Flüsse Apurimac und Ene) genannt.

Erste Kontakte mit der westlichen “Zivilisation”
Das VRAE wurde ursprünglich nur von diesen beide Ethnien, den Ashaninka und Machiguenga bewohnt. Die Ersten, die in die Waldgebiete und Territorien der Ashaninka und Machiguenga vordrangen waren christliche Missionen, beseelt vom Gedanken, die armen Wilden mit dem christlichen Glauben zu beglücken, und sie von ihren heidnischen Bräuchen abschwören zu lassen. Auf den Fuß folgten ihnen die ersten Pioniere der Gauchoära, die sich anschließend große Territorien aneigneten, Kaffeeplantagen anlegten und die Ashaninka und Machiguenga als Sklaven auf diesen arbeiten ließen. Diese Umstände charakterisieren den Zeitraum von 1880 bis etwa 1950. Aus der Sklaverei befreiten sich die Ashaninka selbst mittels mehrerer blutiger Aufstände.
Erst Mitte der 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Region von einer impulsiven Einwanderung heimgesucht. Anwohner der hochgelegenen Andengebiete, vor allem aus den Regionen Ayacucho und Junin, kamen aufgrund schlechter Lebensbedingungen in der Hochebene in die klimatisch angenehmeren Dschungelgebiete, um hier mit neuen landwirtschaftlichen Produkten wie Kaffee oder Kakao einen neuen Anfang zu suchen.
Leidtragende waren natürlich abermals die Ashaninka und Machiguenga, die sich wieder einmal aus ihren Territorien verdrängt sahen. Diesmal nicht von Großgrundbesitzern, sondern von einer Heerschar Kleinbauern, die sich in großen Gruppen zusammentaten, und aufgrund effizienterer Bewaffnung mit Gewehren die Ashaninka und Machiguenga, die sich lediglich mit Pfeil und Bogen zu Wehr setzten, nun gewaltsam weiter in die landwirtschaftlich und infrastrukturell noch nicht erschlossenen weit entfernte Waldgebiete verdrängten.

Mit Mao im Klimsch
Die nächste schwierige und wohl blutigste Epoche der Ashaninka und Mchiguenga ließ nicht lange auf sich warten. 1965 bekamen sie bei Zusammenstößen mit der MIR(Movimiento Izquierda Revolucionario- Linke Revolutionäre Bewegung), eine Guerillabewegung, die jedoch noch im selben Jahr vom peruanischen Staat liquidiert wurde, einen kleinen Vorgeschmack darauf, was in den kommenden Jahren ihren Lebensrhytmus bestimmen sollte.
Nachdem die Ashaninka den Guerilleroanführer der MIR, Maximo Velando, auslieferten, beging zunächst die MRTA( Movimiento Revolucionario Tupac Amaru) Jahre später Racheakte, bei denen dutzende Ashaninka und Machiguenga ihr Leben verloren.
In den Jahren 1979/80 entwickelte sich der bewaffnete Arm der kommunistischen Partei Perus(PCP-Partido Comunista Peru), der sogenannte Sendero Luminoso - der Leuchtende Pfad, eine auf maoistischen Gedankengut fußende Guerillabewegung unter der Leitung Abimael Guzmans, von seinen Anhängern auch Présidente Gonzalo genannt. Entstand der Sendero Luminoso noch an der Universität von Huamanga, in der Hochebene Ayacuchos, breitete er sich jedoch rasend schnell über das ganze Land aus. Gerieten zunächst lediglich Stadtvorsteher, Militärs oder Polizisten ins Visier der Senderistas, so waren nach einigen Jahren Massaker, bei denen ganze Dorfgemeinschaften ausgelöscht wurden, an der Tagesordnung. In den ersten Jahren wurde der Sendero Luminoso von der Regierung Perus nicht wirklich ernst genommen, doch in den späten 80er Jahren kam auch die staatliche Militärmaschinerie so richtig in Fahrt. Betroffen von den Ausschweifungen der Gewalt seitens des Sendero Luminosos und der peruanischen Streitkräfte waren vor allen Dingen Bewohner weit entlegener Gebiete, wie dem VRAE.
Die Kommission für Wahrheit (Comission de la Verdad-CDV), die zur Entschleierung des militärischen und paramilitärischen Treibens der 80er und 90er Jahre gegründet wurde , eine Zeit, die in Peru schlicht “Die Zeit der Gewalt” genannt wird, kam zu dem Schluss, dass in dem vom Sendero Luminoso losgetretenen bewaffneten Konflikt, bei dem etwa 70000 Menschen ihr Leben verloren, für etwa 54% der Getöteten der Sendero Luminoso, für 44% die peruanischen Streitkräfte, und für etwa 2% die MRTA(Movimiento Revolucionarion Tupac Amaru) verantwortlich sind.
Von diesem Treiben blieben die Ashaninka und Machiguenga natürlich nicht verschont. Schon in den ersten Jahren des bewaffneten Aufstands des Sendero Luminoso, begab sich dieser in die Regionen von Satipo, Pangoa und die entlegenen Waldgebiete an den Flüssen Apurimac und Ene, dem VRAE.
Zunächst drangen sie in die Dörfer ein, versammelten die gesamte Dorfgemeinschaft und begannen von der kommunistischen Revolution und Présidente Gonzalo zu sprechen. Dann zwangen sie die Ashaninka und Machiguenga ihre Landwirtschaft umzustellen und die angebauten Mengen in einem Maße zu erhöhen, so dass sie die Guerillatruppen miternähren konnten. Anschließend sollte die Dorfstruktur umgemodelt werden, sogenannte revolutionären Räte wurden installiert. 1989/90 formierten sich die ersten Dörfer und Dorfvorsteher um eine Verteidigungsfront gegen den Sendero Luminoso zu bilden. In dieser Zeit begannen die ersten groß angelegten Tötungen an Dorfmitgliedern, die sich dem Willen der Senderistas widersetzten. An Dörfern, die nicht gewillt waren, sich der Bewegung anzuschließen, wurden mit Massakern Exempel statuiert. Laut der Statuten des Sendero Luminosos waren die indigenen Gemeinschaften Teil und Ausdruck des alten Staates, und mussten somit mit ihm verschwinden.
Auch zwangsrekrutierte der Sendero Luminoso viele seiner Mitglieder aus den Reihen der Ashaninka und Machiguenga. Meist wurden Kinder im Alter zwischen 8 bis 11 Jahre verschleppt, und in weiter entfernten Trainingscamps zu Guerilleros ausgebildet. Doch auch viele Jugendliche der Indigenen wurden gezwungen, sich den Truppen anzuschließen, den sie kannten das Gelände, wussten wie man in den Wäldern überlebt. Der Verbleib dieser Jugendlicher ist bis heute unbekannt.
Auch die peruanischen Streitkräfte, vor allem die Sinchis, eine gefürchtete Sondereinheit zur Bekämpfung von Drogenkriminalität in Zusammenarbeit mit der DEA(Drug Enforcement Assembly) massakrierten ganze Dorfgemeinschaften, die sie verdächtigten, mit dem Sendero Luminoso gemeinsame Sache zu machen.
Während des fast zwei Dekaden andauernden sehr heftigen und blutigen Konflikts in den Dschungelgebieten des VRAE s verloren offiziell etwa 10000 Ashaninka und Machiguenga ihr Leben oder sind spurlos verschwunden, die tatsächlichen Zahlen liegen jedoch wahrscheinlich höher. Doch selbst die offiziellen Zahlen sind bei lediglich 30-40000 Vertretern dieser Ethnie Sinnbild für das Trauma, welches diese Zeit in den Gemeinschaften der Ashaninka und Matsiguenga verursacht hat.

Invasoren und Umweltverschmutzung
Doch auch nach dem vorläufigen Ende des offenen bewaffneten Konflikts ist die Situation für die Ashaninka und Machiguenga alles andere als entspannt. Da Viele von ihnen ihre Territorien auf der Flucht vor dem Leuchtenden Pfad und dem Militär verließen, wurden diese in der Zwischenzeit von den in immer größerer Zahl nachströmenden Bauern aus dem Hochland in Beschlag genommen. Seit einiger Zeit engagieren sich mehrere von den indigenen selbst organisierte Organisationen wie OARA damit, die Territorien der Indigenen mit Landtiteln zu versehen, um so deren Hoheit über diese sicherzustellen, und so dem Druck der Invasion von Kleinbauern nicht nur mit Waffengewalt, sondern auch auf rechtlicher Grundlage entgegen wirken zu können. Doch noch immer gibt es in den Gebieten des VRAE fast täglich Streit um Land zwischen den Invasoren und den Indigenen, der nicht selten tödlich endet. Zum einen werden die bereits erworbenen Landtitel von den sich ansiedelnden Kleinbauern schlicht weg nicht zur Kenntnis genommen, und es gibt auch keine staatlichen Organe wie Polizei oder Militär, die die Einhaltung dieser Dokumente kontrollieren könnten. Zum anderen gibt es noch immer nicht registrierte indigene Gemeinden, die bereits seit Jahren auf die Anerkennung ihres Territorium warten. Die Regierung geht diese Verfahren jedoch meist nur sehr träge an, oder blockiert sie aufgrund von Kapitalinteressen einiger Firmen ganz.
Auch die Drogenproduktion in der Region macht den indigenen Gemeinden der Ashaninka und Machiguenga schwer zu schaffen. Zur Produktion von Kokain aus Cocablättern benötigt man eine Vielzahl verschiedenster Chemikalien, Benzin und Kerosin. Die Abfälle werden anschließend in die Flüsse geschüttet, in denen die Ashaninka und Matsiguenga baden, in denen sie fischen und aus denen sie trinken. Die Folge sind Krankheiten, von denen vor allem die Kinder betroffen sind. Doch auch die Flora und Fauna wird von den Chemikalien schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Ashaninka und Machiguenga, die sich fast ausschließlich von Yuca, Fisch und den Tieren ernähren, die sie im Wald jagen, sind gerade von der Umweltverschmutzung stark betroffen.
Zum Einen finden sie keine Fische mehr, die aufgrund der starken Verschmutzung der Flüsse eingehen. Des Weiteren fliegt das peruanische Militär täglich mehrere Kontrollflüge über das Gebiet des VRAE, auf der Suche nach Drogenlabors. Durch den Starken Lärm der Rotoren der Helikopter werden die Tiere, die eigentlich auf dem Speiseplan der Ashaninka und Machiguenga stehen, verscheucht.
Somit bricht durch die Drogenproduktion und die damit verbundenen Folgen ein wichtiger Teil der Ernährung weg. Als Konsequenz müssen die Ashaninka und Matsiguenga nun Lohnarbeiten nachgehen, um Geld zu sammeln, um ihre Gemeinde meist mit Fisch aus der Dose oder Hähnchenfleisch versorgen zu können, welches sie auf den örtliche Märkten kaufen.
Da die Ashaninka und Matsiguenga keine, oder wenn, eine sehr begrenzte Schulbildung besitzen, bleiben ihnen meist nur Hilfsarbeiten auf Kaffeefeldern anderer Kleinbauern.

Bildung als Ausweg aus der Misere
Was die Ashaninka und Machiguenga am dringendsten benötigen, um den Erhalt ihrer Kultur auch für die nächsten Jahre zu sichern, ist Schulbildung. Um sich selbst die Konditionen schaffen zu können, in denen die Ashaninka und Machiguenga leben wollen, und um sich vor Angriffen des Staates oder vor Marktinteressen ausreichend schützen zu können, ist es für die indigenen Völker des VRAE unabdingbar geworden, sich mit den Auswüchsen der westlichen Zivilisation in ihren Territorien ernsthaft auseinander zu setzen.
Schulbildung ermöglicht es bürokratische Prozesse, die die eigene Existenz bedrohen können, zunächst einmal zu verstehen, und die schwerwiegendsten Zugriffe von außerhalb auf das selbstbestimmte Leben zu verhindern.
Ziel der Bildung ist nicht, die Ashaninka und Machiguenga nach einem Anpassungsprozess als vollwertige und funktionierende Mitglieder in der westlichen “Zivilisation” begrüßen zu können, sondern sie mit den besten Mitteln auszurüsten, um gerade der Assimilation und dem Verschwinden dieser bemerkenswerten Kultur entschlossen entgegen zu treten.

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